Highlights auf Ponza
Ponza sei ein «echter Wander-Geheimtipp», verspricht Imbach. Geheimtipps haben aber leider Tendenz, sehr schnell zu Hotspots zu werden. Bei Ponza ist das glücklicherweise (noch) nicht der Fall. In meinem Bekanntenkreis ist der Tipp sogar so geheim, dass niemand weiss, wo und was dieses Ponza ist, und die Insel zeigte sich uns im Lauf der Woche als noch leicht verschlafen, unheimlich sympathisch und unglaublich schön.
Verfasst von Imbach-Kundin Gabi Bucher
28. Mai 2025
Tag 1: Sportliche Anreise
Die Anreise nach Ponza per Bahn führt über Rom, dort ist die Umsteigezeit relativ knapp, aber unsere Gruppe ist sportlich unterwegs. In Formia wird der Gang zur Fähre schon fast zum Spurt, Treppen runter, über holprige Strassen, neben Baustellen durch, rechts abbiegen, Wanderleiterin Claudia rennt von vorne nach hinten, wie ein Herdenhund hält sie die Gruppe zusammen und wir schaffen es in viertletzter Minute auf die Fähre. So würden wir ziemlich viel früher auf der Insel ankommen, erklärt uns Claudia, da hat selbstverständlich niemand was dagegen! Die nicht ganz ruhige Überfahrt verlangt dann einigen einiges ab und wir sind dankbar, in Ponza an Land gehen zu dürfen. Die dunkelrote Uferpromenade und die farbigen Häuser helfen schon mal übers Gröbste hinweg. Der Speisesaal im Hotel «Bellavista» mit der durch den Namen ja versprochenen Aussicht aufs Meer, der wunderbare Meeresfrüchte-Salat, die Pasta und der köstliche Fisch tun den Rest, wäre da nicht hinten im Saal diese Bild eines Segelschiffs im Wellengang, welches jedes Mal, wenn ich hinschaue, irgendwas machen will mit meinem Magen.
Tag 2: Bentonit und Ginster
Frühstück im sonnendurchfluteten Speisesaal, eine grosse Auswahl an Kuchen und Torten und Cappuccino von der Theke, der Tag fängt gut an! Hafen und Quai sind noch ziemlich leer, ein Trompeter übt irgendwo im Dorf Schuberts «Ave Maria». Mit dem lokalen Bus fahren wir bis Le Forna, von dort führt die erste Wanderung durch Ginster, Rosmarin und Myrte, auch mal durch ausserirdisch anmutende weisse Dünen, ein Resultat des früheren Bentonit-Abbaus. Dann geht’s Richtung Punto Incenso, die Aussicht immer spektakulärer, durch Kakteen-Wälder hinauf in die Macchia mit rot leuchtenden Wolfsmilchbüschen, Distelfeldern, Zistrosen und Schopflavendel, atemberaubend die Natur, die Sicht unglaublich, das Meer mit smaragdgrünen Einschüssen. Dann ein Mittagessen mitten in den Reben bei Bauer Salvatore mit Bruschetta, Pasta und Rotwein, zwar nicht dem besten, meint Claudia, aber viel besser als letztes Jahr, dies unter den Augen eines ausgestopften Hirschkopfs aus Kanada. Zurück in Ponza für die einen das erste Bad, für die anderen das erste Apéro am Hafen, die Fähre legt an, das eine oder andere Auto fährt durch, von weitem das Hupen einer Hochzeitsparade.
Tag 3: Ruhe in Frieden
«Willkommen auf dem Friedhof», sagt Claudia, das mag etwas makaber tönen, aber auf diesem Friedhof lässt sich bestimmt sehr gut ewig bleiben. Da gibt’s «Zimmer» mit direkter und solche mit seitlicher Meersicht, mit mehr oder weniger kitschigen Dekorationen und Fotografien, ganze Geschichten werden erzählt. Die anschliessende Wanderung führt hoch zum Monte Guardia, jeder Ausblick noch spektakulärer, noch unglaublicher, noch fotogener. Heute dominieren tiefgelber Ginster und meterhoch blühende Fenchelstauden, gegen das tiefblaue Meer sind beide unschlagbar. Der Aufstieg ist zwar durch die erhöhte Luftfeuchtigkeit etwas schweisstreibend, aber die atemberaubenden Tiefblicke auf die Küstenlinie, den Archipel und in die Weite ist jeden Schweisstropfen wert. Die roten Kissen der Wolfsmilch, die Orchideen, die gelb-weissen Gräser, man kann sich nicht sattsehen! Und wenn gestern die Sicht so gut war wie noch nie, sind heute die wilden Ziegen so nah wie noch nie. Was erwartet uns wohl morgen?
Tag 4: Spektakel im Meer
Die Highlights bleiben auch am dritten Tag nicht aus. Bei strahlend blauem Himmel steigen wir in unser Boot für die Umrundung von Ponza und die Überfahrt nach Palmarola und klar gibt’s wieder einen Superlativ; Da will niemand sonst mit, wir haben das Boot für uns allein. Was dann folgt, übersteigt alle Erwartungen. So viele verschiedene Stein-, Berg- und Felsformationen, die Steilküsten aus Basalt-, Tuffstein und Obsidian, die Lavakissen, von gleissend weiss über hellgrau, ocker, bis hin zu schwarz, ein Highlight jagt das andere und will es noch überbieten. Das Meer stahlblau, türkis, grün, dann plötzlich drosselt der Kapitän den Motor: Neben dem Boot tummeln sich eine kurze Weile Delphine. In der «Kathedralen-Bucht», so genannt wegen der speziellen Felsformation, gibt’s eine Bademöglichkeit in karibischem Ambiente, mindestens was die Wasserfarbe betrifft, wohl etwas weniger dessen Temperatur. Kapitän Luca und sein ziemlich gutaussehender junger Helfer Marco haben Pasta mit Tomaten-Thon-Sauce vorbereitet, den Weisswein gibt’s aus der 3-Liter-Petflasche, primo il vino, dopo l’acqua. Von irgendwoher weht passenderweise immer wieder ein Duft nach Weihrauch, im Wasser streiten sich die silbrig glitzernden Occhiate (Brandbrassen) um die letzten Pastastücke. Wirklich beschreiben kann man diesen Tag und die Eindrücke eigentlich gar nicht, vielleicht bräuchte es neue Ausdrücke dafür?
Tag 5: Freier Tag mit «freiem Programm»
Langsam bemächtigt sich ein Thema der diversen Tischgespräche: Der geplante Streik am Freitag, unserem Rückreisetag. Aber Panik kommt noch keine auf, wir vertrauen Claudia, dass sie alles daran setzen wird, uns aus Italien herauszubringen.
Das Wetter hat sich nun drei Tage lang so verausgabt, dass es heute einen Ruhetag einlegt. Wir eigentlich auch, aber Claudias Vorschlag einer fakultativen Bootsfahrt nach Zannone, einer weiteren unbewohnten Insel, tönt so verlockend, dass fast die ganze Gruppe mit dabei ist. Da das Meer aber doch irgendwie lebendiger aussieht, gehen etliche noch beim Apotheker vorbei, wo die Schublade mit den Medikamenten gegen Seekrankheit schon offen steht. Es sind wieder Kapitän Luca und der hübsche Marco, die uns fahren. Unter dem Gekreische und Gelächter von hunderten Möwen bei unserer Ankunft auf Zannone steigen wir auf zur Klosterruine. Farbig ist’s auch hier, vor allem durch die Flechten auf den Felsen, von zartgelb bis dunkelorange. Durch einen märchenhaften Eichenwald umrunden wir die Insel, steigen wieder ab durch hohe Gräser und Büsche. Die Möwen haben sich nicht wirklich beruhigt, vielleicht hat's was damit zu tun, dass Luca und Marco uns mit einem Topf Penne all’amatriciana erwarten? Ein paar Mufflons zeigen sich noch kurz, damit auch an diesem Tag wieder etwas Unerwartetes geboten worden ist. Zurück in Ponza hilft Marco den Damen galant aus dem Schiff, böse Zungen behaupten, diese hätten ihm nur ein Trinkgeld zugesteckt, um ein Lächeln von ihm zu bekommen.
Tag 6: Gartenzauber
Das Wetter verhält sich anfänglich etwas launisch, was uns aber unglaubliche Stimmungen beschert. Einerseits sind da die Wolken, die die Szenerie neu einteilen, andererseits leuchten Ginster, weisse Felsen und Meer umso heller, wenn die Sonne sich wieder zeigt. Heute sind es die beiden Violetts, die sich so wunderbar mischen; das zarte der Disteln, und das mit roten Tupfen versetzte dunklere der Natternköpfe. Das heutige Highlight ist aber unbestritten das Mittagessen: Spektakuläre Aussicht auf den Hafen von Ponza und auf dem Tisch unzählige Platten mit eingelegtem oder gekochtem Gemüse, alles aus dem hauseigenen Garten. Was dann folgt, soll Claudias Geheimnis bleiben, dass es ein zusätzliches Highlight ist, muss da wohl nicht mehr speziell erwähnt werden!
Tag 7: Rück- und Ausblicke
Heute ist der Tag der Rück- und Ausblicke. Nochmal sehen wir aus verschiedenen Perspektiven, was wir durch die Woche auf der Insel entdeckt und erwandert haben: Die Bucht Chiaia di Luna, die Bentonit-Dünen, Palmarola von weitem, die Punta della Guardia. Es ist aber auch der Tag der Treppen, der kurzen, leicht abenteuerlichen «Feldquerung» und der verschiedenen Bademöglichkeiten, allen voran jener im natürlichen Felsbecken. Und vom Boot, das uns schlussendlich von der Spiaggia di Frontone zurück nach Ponza bringt, winkt «unser» Marco und begrüsst uns alle mit Handschlag!
Zum Rückreisetag nur dies: Es war eine lange Reise, aber dank dem unermüdlichen Einsatz von Claudia, dem Büro in Luzern und dem Hotel in Ponza hat alles bestens geklappt!
Fazit
Es war eine Woche der Superlative, ganz klar, meint auch Claudia, noch nie so früh auf der Insel, noch nie so klare Tage, noch nie so viele Tiere gesehen: Wilde Ziegen, Delphine, Mufflons, Esel und sogar Schwertfische, gut, diese im gefrorenen Zustand! Auch noch nie eine Streik-Reise und, erstaunlicherweise, noch nie eine Gruppe, bei der ausnahmslos alle alles gegessen haben, vom Meeresfrüchte-Salat über diverseste Fischgerichte bis hin zu grillierten Scampi!
Und last but not least: Claudia ist die perfekt vorbereitete Reiseleiterin, man merkt ihr die jahrelange Erfahrung an. Mit viel Herzblut, fliegenden Armen und wippenden Füssen brachte sie uns die Insel näher, erklärte und das Bentonit, die Bourbonen, die Geologie, die Flora, den Insel-Schutzpatron San Silverio, die herzzerreissende Geschichte der Domitilla. Sie zeigte uns ihre Lieblingsbar, brachte uns den besten Wein der Insel, organisierte wunderbare Essen. Ihre Begeisterung für die Insel ist auch nach all den Jahren ungebrochen. Und was sie, das Büro in Luzern und die Hotel-Crew geleistet haben, um uns trotz Bahnstreiks sicher und nicht allzu spät nach Hause zu bringen, ist wirklich beispiellos. Ein ganz herzliches Dankeschön an alle.
Meine Empfehlung: Gehen Sie hin, entdecken Sie dieses Ponza, solange es noch so liebenswürdig ist. Aber melden Sie sich frühzeitig an!