Allegra im Winterparadies! Auf der Sonnenterrasse des Unterengadins schlängeln sich die Winterwanderwege durch idyllische und ruhige Landschaften und von Dorf zu Dorf.
verfasst von Martina Ackermann, IMBACH Wander- & Reiseleiterin
erschienen im WANDERMAGAZIN SCHWEIZ
16. Dezember 2025
Vom Unterland kommend, beginnt die Entschleunigung bereits in der Rhätischen Bahn, wenn sich der rote Zug langsam durch das Prättigau schlängelt. Der Vereinatunnel, er verbindet Klosters im Prättigau mit Sagliains im Unterengadin, ist dann so etwas wie das Tor ins Engadin. In Sagliains offenbart sich eine ruhige Winterlandschaft, und ab jetzt heisst es «Allegra », die Begrüssung der Menschen im Unterengadin, welche das Rumantsch Vallader sprechen. Der Blick richtet sich auf die schmucken Engadiner Dörfer, eingerahmt von der mächtigen weissen Bergkulisse,
den Engadiner Dolomiten, die eine Stille ausstrahlen, die beruhigt und beflügelt. Schon bald erblicken wir auf der sonnigen Talseite des Unterengadins Guarda, ein wunderschönes Bergdorf, das uns an die Geschichte des Schellenursli erinnert. Trotz seiner Bekanntheit strahlt Guarda eine Magie aus, insbesondere dann, wenn es in eine dicke weisse Decke gehüllt ist.
«DAS UNTERENGADIN BEEINDRUCKT MIT WUNDERSCHÖN BEMALTEN STEINHÄUSERN UND LEBT SEINE TRADITIONEN IN SPRACHE, KULTUR UND HANDWERK.»
MARTINA ACKERMANN, IMBACH-REISELEITERIN
Sgraffitos und Weitblicke
Vom malerischen Guarda, wo die Engadiner Häuser mit Sgraffito-Malereien Geschichten erzählen, führt der Winterwanderweg auf dem Höhenweg nach Bos-cha. Der Weg zieht sich steil hinauf durch den verschneiten Lärchenwald, wo Wanderstöcke und Spikes das Gehen erleichtern. Auf der Höhe der verträumten Alpsiedlungen Teas und Prümarans ist es, als atme die Landschaft: Jeder Schritt knirscht im frischen Schnee. Dass hier in der Nacht die unterschiedlichsten Tiere auf der Suche nach Nahrung unterwegs sind, kann man an den vielen Spuren im Schnee erahnen. Nach einer wohlverdienten Pause im Schutze einer Alphütte führt uns der Weg weiter hinauf bis zur Abzweigung nach Munt und leicht abwärts auf dem Schlittelweg nach Ardez.
Als zusätzliche Herausforderung lohnt es sich, bei der Abzweigung nach Munt noch weiter zur Alp Murtera Dadoura hinaufzuwandern und auf dem gut präparierten Schlittelweg hinunterzusausen. Das ist Winterspass pur! Auf der Alp stehen genügend Schlitten zur Verfügung, die gegen eine Gebühr am Ziel in Ardez wieder deponiert werden können. Dort angekommen, ist es Zeit für eine heisse Schokolade oder einen Kaffee im Café La Carsuot par Garde-Manger. Die süsse Verführung einer hausgemachten französischen Patisserie ist ein Muss. Draussen versinkt die Sonne langsam hinter den Bergen.
Nordische Landschaften
Auf einem Felshügel thront Schloss Tarasp, das heute im Besitz des einheimischen Künstlers Not Vital ist und auch als Ausstellungsort seiner Kunst und Kunstsammlungen dient. Ein Besuch ist nur schon wegen der wunderschönen Aussicht über das Tal lohnenswert. Ausgangsort unserer Rundwanderung ist dann Tarasp Fontana. Dank der Nordseite des Tales ist der Lärchenwald verhüllt im weissen Winterkleid. Die Luft ist kalt und trocken, langsam, Schritt für Schritt den Pfad hinaufgehend, öffnet sich eine weite Hochebene, die umgeben ist von den mächtigen Engadiner Dolomiten. Gemütlich führt uns der Winterwanderweg durch diese nordisch anmutende Landschaft. Tierspuren sind viele zu sehen – zwar nicht von Elchen, aber von Füchsen und Rehen. Die Eiskristalle der kalten Wintersonne funkeln wie Diamanten über dem schneebedeckten Lai Nair. Ein wahrer Kraftort. Durch einen stillen Wald gelangen wir zum Weiler Avrona, wo auf einer Lichtung das gleichnamige Gasthaus liegt und uns mit einer ausgezeichneten lokalen Küche empfängt. Anschliessend geht es wahlweise auf einem Waldpfad über Vulpera nach Scuol oder auf einer Forststrasse nach Tarasp-Fontana.
Ein stilles Tal
Zu den sonnigen Bergdörfern gehört auch Vnà, eine kleine Ortschaft hoch über dem Inn. Unsere Wanderung führt auf der rechten Talseite des Val Sinestra leicht ansteigend durch eine ruhige Landschaft zum Weiler Hof Zuort. Unterwegs bestaunen wir die eindrücklichen Erdpyramiden, die auf die beiden abgeschmolzenen Gletscher des Val Laver und des Val Chöglias hinweisen. So abgelegen und still, wie der Weiler liegt, würde man es kaum erwarten, dass sich hier ein Swiss Historic Hotel befindet, das zudem ganzjährig geöffnet ist. Vom Hof Zuort ist der Weitblick durch das unberührte Tal umwerfend. Die gemütliche Tiroler Holzstube lädt zu Capuns, Pizokel und hausgemachtem Kaiserschmarrn ein. Wenn der Weg von Schneeschuhgängern gepfadet ist, kann auf der Rückkehr noch eine Schleife über Griosch angehängt werden. Wichtig ist es jedoch, die Abfahrtszeiten des Postautos ab Vnà zu beachten. Überhaupt sind die Ausgangspunkte der hier beschriebenen Winterwanderungen alle gut mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar. Dank der TourCert-Zertifizierung des Unterengadins sind die Zug- und Busfahrten mit der Gästekarte kostenlos. Tour Cert steht für nachhaltigen Tourismus, für nachhaltige Mobilität und Förderung von öffentlichem Verkehr sowie für Respekt und schonenden Umgang mit Natur- und Kulturlandschaften.